Arbeiten wie echte Radiojournalisten
von Jean-Battiste Ambros
Jeden Morgen hören wir Radio. Eigentlich eine ganz nützliche Sache, man kann coole Popmusik hören, die Staumeldungen und Blitzerwarnungen werden durchgegeben und ganz nebenbei wird man schnell und zuverlässig auf den neusten Stand gebracht. Doch wie funktioniert denn jetzt das mit dem Radio genau? Wie wird aus der Nachricht ein informativer Radiobeitrag, der im besten Fall auch noch unterhaltsam ist? Und ganz wichtig, wie arbeiten Radiojournalisten eigentlich?
Um das herauszufinden haben die Ethik-Klassen der Klasse 10/11 des Robert-Mayer-Gymnasiums Heilbronn im Juli und September 2016 am Radioprojekt „Radio im Klassenzimmer“ teilgenommen. Wir verbrachten dabei zwei Seminartage im Juli am RMG und produzierten unsere Beiträge zu dem Thema „Toleranz, Respekt und der Umgang mit Flüchtlingen in der Gesellschaft“. Dabei unterstützen uns Herr Ackermann und Herr Rau von der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg. Glücklicherweise war es an diesen Tagen nicht so heiß, ganz im Gegenteil es regnete sogar, was sich aber später noch als Problem herausstellen sollte. Leider waren an den beiden Tagen auch die Notenkonvente, was eigentlich für uns Schüler einen freien Nachmittag bedeutet hätte, der wurde uns leider vergönnt. Zunächst stellten uns die beiden Seminarleiter die grundsätzlichen Aufgaben und Funktionsweisen vor, bevor wir mit Aufnahmegeräten und Kopfhörer ausgestattet wurden und in der Innenstadt Antworten von Bürgern zu diversen Fragestellungen, die wir uns schon eine Woche vorher in den Gruppen im Unterricht überlegt haben, aufnahmen. Da es nun aber in Strömen regnete, wurde diese Arbeit erheblich behindert, doch mit einem Regenschirm ließ sich auch dieses Problem lösen. Nach anfänglichen Hemmungen wurden wir immer mutiger auf die Leute zuzugehen und wussten auch mit (barschen) Abwehrreaktionen professionell umzugehen. Dabei waren die Gruppen nicht nur auf der Straße um Antworten zu suchen, sondern auch vereinzelt beim Polizeipräsidium, bei der Staatsanwaltschaft oder in Flüchtlingsunterkünften. Wieder zurück in der Schule wurde das Material zügig geschnitten, was trotzdem noch einmal locker 3-5 Schulstunden dauerte. Zufrieden konnten wir am Ende vom zweiten Seminartag allerdings 5 unterschiedliche, lustige, kreative, kritische und unterhaltsame Radiobeiträge anhören, beispielsweise „Wie tolerant ist unsere Gesellschaft?“ oder „Wie wird man eigentlich ein Deutscher? Und was bedeutet deutsch zu sein?“ Glücklich über das neue Wissen konnten wir also nach Hause gehen und freuten uns schon im September des neuen Schuljahres als frischgebackene 11. Klässler nach Stuttgart in den Radiosender bigFM zu fahren und dort unsere Beiträge live anzumoderieren.
Nach den warm-nassen Sommerferien und dem heißen Schulstart, war es dann am Donnerstag, den 29. September endlich soweit. Wir fuhren mit der Bahn nach Stuttgart! Begleitet haben uns Frau Bendel, unsere Ethik-Lehrerin aus diesem und dem letzten Jahr und Hr. Zinser, unser Gemeinschaftskundelehrer für ein ganz besonderes weiteres Highlight auf unserer Reise. Leider war Frau Schmidt-Rottler, unsere letztjährige Ethiklehrerin nicht mehr dabei, da sie über die Sommerferien die Schule leider verlassen hat. Pünktlich kamen wir also in Stuttgart bei bigFM an und bekamen eine exklusive Führung durch das (kleine) Redaktionsgebäude des Senders. Dabei bestaunten wir die „Wall of Fame“ bei der sich jeder Künstler durch ein Selbstporträt bei jedem Studiobesuch verewigt hatte. So gingen wir also auf derselben Treppe, auf der auch schon Rihanna, Justin Bieber, Thomas D, CRO oder Beyoncé liefen. Selbst Angela Merkel und Keisha waren schon hier, was wir ohne unseren werten Mitschüler Ersin sonst nie erfahren hätten ;). Lustig war dabei auch, dass Justin Bieber bei seinem ersten Studiobesuch erst einmal gegen die Glastür gelaufen ist, durch die wir auch gekommen sind. Wie er das geschafft hat dagegen zulaufen, obwohl die Tür ja voller Logoaufkleber ist, konnten wir nicht verstehen, aber Justin ist ja auch eine Fall für sich. Und noch eines bemerkten wir verblüfft, im Radio ist nichts live. Eigentlich werden wir dadurch jeden Morgen veräppelt, wenn der Moderator sagt, rufen Sie bitte jetzt für Ihren Lieblingssong an. In Wahrheit werden dann nur Anrufer vom Vortag eingespielt. Das war ein sensationell großer Schock für uns. Um 11 Uhr war es dann endlich soweit. Einer unserer vielen hochwertigen Radiobeiträge wurde (stark gekürzt) gesendet und drei unserer Mitschüler durften diesen sogar selber live anmoderieren. Also natürlich „Live“, in Wirklichkeit haben sie eine halbe Stunde vorher gesprochen. Trotzdem haben wir uns natürlich riesig über den Besuch gefreut und verbrachten im Anschluss unsere Mittagspause bei McDonalds, Burger King, auf dem Schlossplatz oder wie Herr Zinser zu sagen pflegte „auf der Fressmeile Stuttgarts“.
Und dann kam das nächste Highlight, das tatsächlich eines ist. Wir gingen ins Innenministerium Baden-Württemberg um dort mit dem Innenminister Thomas Strobl höchstpersönlich zu sprechen, er ist ja immerhin auch ein Schüler mit erfolgreichem Abschluss an unserer Schule gewesen. Dabei stellte er sich unseren (kritischen) Fragen, leider aber nur zwischen „Tür und Angel“, also auf dem Flur, da alle Säle bereits belegt waren. Dennoch bekamen wir einen sehr guten Einblick in Strobls Vorhaben, wobei das Thema Digitalisierung (Glasfaserkabelverbindung und freies W-Lan) einige unserer Mitschüler besonders interessierte. Deswegen müssen wir unseren Innenminister trotzdem noch einmal in unseren Unterricht einladen, damit wir mehr Zeit und Ruhe füreinander haben und die wichtigen Themen ausführlich besprechen können. Dann ging es weiter tief hinein in den „Hochsicherheitstrakt“, wir gingen in das Führungs- und Lagezentrum (FLZ) der Landesregierung, wo Krisenstäbe eingerichtet werden können, Staumeldungen herausgegeben werden (wo sich der Kreis zum Radio wieder schließt), Minister und die Politik über neuste weltpolitische Dinge informiert werden können und Sicherheitslagen besprochen werden. Polizist Calavagne erklärte uns dabei, dass „Normalsterbliche eigentlich nie hier rein dürften“. Also ist eine weitere wichtige Erkenntnis des Tages, dass wir nun, wie die Polizisten und Minister, die hier arbeiten, nicht zu den Normalsterblichen gehören. Nach einem Rundgang durch das FLZ, wobei uns Calavagne unsere Fragen sehr ruhig und ausführlich beantwortete, traten wir unseren Rückweg nach Heilbronn an.
Zufrieden mit unserem Erreichten kamen wir dann wiederum pünktlich (!) mit der zweitpünklichsten Bahn der Welt, der Deutschen Bahn, wie uns Felix erklärte, am Hauptbahnhof an, wo die einmalige Exkursion endete. Möglich gemacht haben uns diesen besonderen Tag mit den tollen Erlebnissen Frau Bendel, Frau Schmidt-Rottler und Herr Zinser, wofür wir uns noch einmal ganz herzlich bei Ihnen bedanken möchten, und wobei wir Ihnen auch die beiden verloren gegangen Nachmittag nicht mehr verübeln können. Wir können das Projekt an zukünftige Schüler nur weiterempfehlen, aber auch wir würden uns wieder über eine Teilnahme freuen. Mal sehen, was die nächsten zwei letzten Jahre so bringen. Und bis dahin, weiter fleißig Radio hören! Wir wissen ja jetzt, was und wer dahinter steckt.